Rede von Harald Raß in der Regionalversammlung am 29. September 2010 zu den Dringlichkeitsanträgen Stuttgart21

Veröffentlicht am 30.09.2010 in Anträge

Herr Vorsitzender,
meine Damen und Herren,

es war zu erwarten, dass auch in diesem Gremium ein Antrag (sogar ein Dringlichkeitsantrag!) für ein sofortiges Moratorium landet. Und es ist auch nicht überraschend, dass die anderen Fraktionen darauf reagieren. Es war unvermeidbar, dass das Thema, das im Bundestag und im Landtag (vor wenigen Wochen) bereits behandelt wurde, nun auch in der Regionalversammlung ankommt. Dass die Erfolgsaussichten dadurch nicht besser werden, ist wahrscheinlich sogar für die Antragsteller nicht eben überraschend.

Aber um die Erfolgsaussichten geht es den Antragstellern in Wirklichkeit nicht. Es geht ihnen darum, ein zusätzliches Podium für die Endlosschleifendiskussion um Stuttgart 21 und die Neubaustrecke zu finden. Das ist legitim, aber nicht besonders einfallsreich.

Es ist ein wenig wie in dem Hollywood-Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“:
Der TV-Wetteransager steckt in einer Zeitschleife fest. Aus Frust versucht er, seine Arbeitskollegin zu verführen. Ergebnis: lauter Fehlversuche, ohne jegliche Konsequenzen.

Was ist ein Moratorium und was könnte es für die Region bedeuten?
Normalerweise und in Kurzform: Zahlungsaufschub, etwas erweitert: Verzögerung. Noch etwas erweitert, dass durch Finanzabkommen sog. Schuldenmoratorien vereinbart werden können, z.B. gegenüber Ländern, die in Zahlungsschwierigkeiten kommen. So weit sind wir in der Region und im Land wohl noch nicht.

Aber auch in der Politik gibt es Moratorien:

z.B. hat Putin 2007 als russ. Präsident ein einseitiges Moratorium des KSZE-Vertrags verkündet mit der Folge, dass er sich an diesen Vertrag nicht mehr gebunden fühlte.

Und Obama ist mit seinem Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko vor Gerichten gescheitert.

Ein Moratorium kann also sehr wohl auch scheitern.

Es ist keine Frage, dass uns das Thema und natürlich auch die Bürgerproteste und Demonstrationen bewegen. Sie kamen, vor allem was die Intensität und die Dauer anbelangt überraschend und sie zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger bei wichtigen, zentralen Themen nicht nur mitreden, sondern auch mitentscheiden wollen. Und hier müssen für die Zukunft neue Wege diskutiert werden.

Ich möchte auch daran erinnern, dass wir alle in einer Region nicht nur weiter leben müssen – sondern auch wollen. Und dass niemand wollen kann und darf, dass es zu einer Dauerspaltung in der Landeshauptstadt und in der Region kommt. Es sieht so aus, als ob aus Stuttgart 21 eine Glaubensfrage gemacht, wird, ja sogar eine Überlebensfrage. Aber Überlebensfragen sind per se nicht kompromissfähig.
Da muss verbal abgerüstet werden. Der entstandene Riss geht zwischen den Parteien, zum Teil in den Parteien, da wird es schon schwieriger, aber wenn er dann noch in die Kirchen, die Vereine bis in die Familien hineingetragen wird, dann wird es nicht nur bedenklich, sondern gefährlich, auch wegen des nicht geringen Eskalationspotenzials.

Die Spaltung und die Gräben sind tief. Und im Augenblick sind nur wenige erkennbar, die bereit sind, die Gräben wieder zuzuschütten. Es sieht eher so aus, dass an manchen Stellen noch gegraben wird. Wenn aber die Spaltung bleibt, dann wird unsere Region und letztendlich auch unsere Demokratie Schaden nehmen. Es gibt auch eine Zeit nach Stuttgart 21 und es gibt noch andere Probleme als ein Tiefbahnhof und eine Neubaustrecke.

Deshalb finden wir es mehr als bedauerlich, dass die Gespräche zwischen Befürwortern und Gegnern nicht stattfinden, zwar wohl einmal stattgefunden haben, aber ihre Fortsetzung schon wieder abgesagt wurde.

Und wenn Herr Brock von der katholischen Kirche, wie gestern in der Stuttgarter Zeitung nachzulesen war, zu Recht über „das mangelnde Gespür für die Politische Kultur“ und „den Stil einer Politik in Rambomanier“ beklagt, dann ist das auch darauf zurück zu führen, dass, leider, zu viele Projektgegner kein wirkliches Interesse an Gesprächen haben, sondern lieber bis zur Unkenntlichkeit taktieren. Und natürlich auch die Befürworter die Sensibilität eines Igels gegenüber einem Luftballon zeigen.

Ein Moratorium bis weit nach der Landtagswahl, eindeutig der falsche Weg. Auch deshalb, weil kein Mensch das Ergebnis voraussehen kann. Es ist leider so: Das Moratorium wird in erster Linie als taktisches Mittel für die Landtagswahl eingesetzt.
Und dann sollten die Grünen bei sich klären, was sie denn tatsächlich wollen: Ein Moratorium von einem ¾ Jahr oder einen Baustopp von 2 Monaten, wie es Herr Kretschmann in einem Interview von heute fordert. Herr Hermann ist sich sicher, dass S 21 nach der Landtagswahl gestoppt wird, Herr Kretschmann jedoch beileibe nicht. Also stimmen sie sich intern besser ab, wenn sie das können.

Über Bürgerbeteiligung und Bürgerentscheide kann und muss man reden. Aber mit Sicherheit nicht im Wege von Mauscheleien im Zuge von OB-Wahlen.
In der Frage Stuttgart 21 ist dies aber bereits entschieden.

Die Befürworter von Stuttgart 21 sind beileibe keine „Fangemeinde des Unterirdischen“. Wir begehen weder einen „Mord“ am Bahnhof, noch einen „Mord“ an Stuttgart. Solche Formulierungen haben zwar einen hohen demagogischen Wert, führen aber in der Sache nicht weiter.

Und wir haben es in erster Linie mit einer Sachfrage zu tun. Über Sachfragen kann man streiten, aber der Streit sollte nicht zu Glaubenskriegen führen.
Wesentliches Merkmal von S 21 ist, dass der Regionalverkehr deutlich verbessert wird und dass die Innenentwicklung der Landeshauptstadt ermöglicht wird. Dies war und ist Voraussetzung für die Zustimmung und finanzielle Beteiligung der Region und daraus resultiert auch das vitale Interesse der Region an S 21. Die Verzahnung ist klar erkennbar und die notwendigen Beschlüsse sind gefasst.

Die Vorlage zur Beschlussfassung in der Regionalversammlung enthält u.a. folgende Formulierungen:

Die Bereitstellung dieses Beitrages (Anm.: gemeint sind die 100 Mio. €) ist dabei an folgende Prämissen gebunden:
• Die Erhöhung des Finanzierungsanteils der Region am Projekt Stuttgart 21 ist abschließend und erfordert eine Umsetzung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Ulm mit allen wesentlichen Elementen.
• Regionale Finanzierungsmittel für Stuttgart 21 werden erst mit dem Baubeginn zur Verfügung gestellt. Die Gesamtsumme wird über einen Zeitraum von 8 Jahren in jeweils gleichen Raten abgerufen.
• Der Verband Region Stuttgart ist gleichberechtigtes Mitglied in einer Lenkungs- bzw. Steuerungsgruppe des Projekts.

Das wird heute bekräftigt. Nicht mehr und nicht weniger. Auch von der SPD-Fraktion. Und wir lehnen ein Moratorium ab, weil es in Wirklichkeit kein Antrag auf ein Moratorium ist, sondern weil S 21 gekippt werden soll. Das steckt dahinter. Und da machen wir nicht mit.

 

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